Lilli und der Koffer

Lilli und der Koffer – Eine Geschichte über Schweine, Damen und Menschen


Wollen Sie wissen, warum ein sehr mageres Schwein namens Lilli aus dem Schlagbachtal die Welt des hessischen Hinterlands durcheinanderbrachte?
Und möchten Sie wissen, warum eine blonde Dame Spaß daran hatte, Verwirrung zu stiften?
Wegen ihrer Äußerungen verlieren einige Menschen auf tragische Weise ihr Leben.
Lilli revolutioniert die Schweinewelt und am Ende wird Erfundenes unvorhergesehen zur Realität.
Lilli und der Koffer ist wie ein Roadmovie, eine holprige Geschichte, geschrieben in einigen Nächten und wenigen Tagen.

Hier eine Leseprobe:

… Der Knecht hatte die Rechnung buchstäblich ohne die Wirtin gemacht. Kaum, dass er die drei Damen verlassen hatte, kreuzte die Fette gestützt auf zwei Stöcke, die ihr das Gehen überhaupt erst ermöglichten, seinen Weg.
„Ich muss in den Schweinestall“, sagte sie, „weil am Montag kommt der Metzger aus Schmalenbach und holt zwei Sauen zum Schlachten.  Ich muss nachschauen, wen wir da nehmen. Der Metzger will keine fetten Schweine mehr. ‚Mager’ hat er gesagt, wollen die Leute. Versteh ich zwar nicht, aber wenn er es sagt. Und wir haben doch dieses eine Schwein, das so mager ist. Dann können wir das nehmen, aber wir brauchen noch eins. Mager, was für dumme neumodische Ansichten.“
Wundervolle Sonnenstrahlen fielen über den Biergarten mit den alten Stühlen. Die roten Tischdecken leuchten und alles hätte so schön und gut sein können. Die Pferde – allesamt gesund, der Hund mal ausnahmsweise nicht kläffend, die Katzen noch schlafend in irgendwelchen Ecken. Leichtes Windsäuseln in den alten Bäumen und drei mit Lippenstift beschmierte Kaffeetassen auf dem kleinen Tisch beim Teich.
In dieser Idylle stand der Knecht und wurde kreidebleich. Half jetzt nur noch eine spontane Flucht mit anschließendem Besäufnis, oder vielleicht doch die „Keine-Ahnung-Haltung“?
Bevor er sich entscheiden konnte, hatte die Fette den Schweinestall erreicht.
Es war Samstag, ein wirklich schöner Aprilvormittag und die drei Damen saßen immer noch vor ihren Tassen und den Papierbergen, die aber uninteressant waren, denn die Szene vor dem Schweinestall hatte etwas sehr viel anziehenderes, als die langweiligen Aktennotizen für die bevorstehenden Feierlichkeiten in Schmalenbach.
„Mach die Tür auf“, herrschte die Fette ihren Knecht an.
„Geht nicht, ist verklemmt, muss erst den Schreiner rufen.“
„Das hättest du doch längst schon machen können, die Schweine müssen doch gefüttert werden, es ist ja schon bald neun Uhr.“
„Keine Ahnung, klemmt alles, weiß auch nicht warum.“
„Der ist gar nicht so doof wie ich dachte“, sagte die Blonde und musste lachen.
„Doch, ist er“, gab die Grünäugige zurück, stand auf, ging auf die theatralisch wirkenden beiden Gestalten vor der verklemmten Tür zu, sah sie kurz an, drückte die Klinke herunter, öffnete die Tür. „Na, geht doch“, sagte sie und ging zurück zum Kaffee und ihren Damen.
„Super, wie im Theater und wir sitzen in der ersten Reihe – wie immer. Gehören wir ja auch hin. Cool“, flüsterte die Dunkelhaarige.
Gar nicht cool war das markerschütternde Geplärr der Fetten. Sie schimpfte, schrie und immer wieder hörten die drei Damen den Namen „Lilli“. Und immer wieder „Keine Ahnung“!
Dann – die Fette kam aus dem Stall, schleuderte wutentbrannt einen Stock in Richtung Knecht, schrie ihn an, titulierte ihn mit sehr groben Begriffen und schob sich ausgesprochen mühselig mit jetzt nur noch einem Stock in Richtung der drei Damen. Der Knecht hinterher, den geschleuderten Stock vor sich her tragend wie ein Schwert.
„Wissen Sie etwas, haben Sie eine Ahnung. Das gibt es doch nicht, erst klemmt die Tür und jetzt fehlt uns ein Schwein. Es ist weg. Ein ganzes Schwein ist weg. Die Lilli. Man hat uns ein Schwein gestohlen. Das kann ich alles nicht glauben. Wissen Sie etwas, haben Sie das Schwein gesehen“, schrie die Fette, um Fassung ringend, die sie eigentlich schon verloren hatte.
Der Knecht stand da mit dem Schwertstock. Wortlos und immer noch bleich. Die drei Damen, die die fette Wirtin eigentlich gut leiden konnten, fanden die Szene sehr lustig und lachten in sich hinein und die Blonde verspürte viel Lust auf scherzhafte Bemerkungen.
„Liebe Frau Wirtin“, sagte sie und machte ein künstlich ernstes Gesicht, „regen Sie sich nicht auf, alles ist in Ordnung. Alles ist gut! Gestern Abend verließ ein ordentlich gekleidetes Schwein mit einem Kosmetikkoffer das Gelände und stieg in ein wartendes Taxi ein. Sehr graziös, fast elegant. Ja, wirklich erstaunlich gut aussehend, das Schwein. Der Wagen fuhr dann los in diese Richtung.“  Die Blonde deutete auf das Sträßchen, das sich nach Schmalenbach schlängelte. „Wir haben es alle gesehen, sehr anmutig.“
„Ja“, legte die Grünäugige nach, die den Scherz der Blonden immer schnell nachvollziehen konnte, „das Schwein hat sich sogar sehr anständig verabschiedet. Große Klasse für so ein Schwein aus so einem kleinen Tal hier.“
„Ein cooles Schwein“, blinzelte die Dunkelhaarige.
„Vielleicht wollte das Schwein noch spät zum Friseur wegen des Festes morgen. Obwohl, eigentlich haben die Friseure um diese Zeit schon zu. Aber man weiß ja nicht, vielleicht hatte es einen Sondertermin, so schick wie es war und mit diesem schönen Kosmetikkoffer“, das waren die Worte der Blonden, die die Fette zum Kollaps brachten. Sie riss die Augen auf, verlor den verbleibenden Stock und fiel rücklings und  kerzengerade um. Lag da wie ein gestrandeter Wal. Mund offen, den dicken Bauch himmelwärts gerichtet. Neben dem leblosen Körper sah der Krückstock sehr mickrig aus, wie ein Mikadostab.
Von den Teichen kam sanftes Entengeschnatter. Der Wind war schön und lau. Der Knecht  war noch bleicher geworden, hielt aber brav seinen Schwertstock fest und rührte sich gar nicht. Genauso wenig wie der Walkörper der Wirtin, die ein hellgraues Kleid trug mit einem lächerlichen weißen Kinderkragen, der einen netten Kontrast zu dem frischen Grün des Grases im Biergarten abgab.
„Mein Kaffee ist kalt“, sagte die Grünäugige.
„Gar nicht cool“, meinte die Dunkelhaarige, „meiner auch.“
Die Blonde sagte gar nix, schaute fast andächtig auf den grau-gewandeten Körper, zog die Augenbrauen ein wenig hoch und hatte einen Anflug von Mitleid …

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